02.07.2019

Zwei moralische Welten



Wir sind es gewohnt, ja geschult darauf, trainiert und geprüft, die Vernunft als eine der Hauptkriterien in unser berufliches Wirken zu stellen. Ob Analyst, Händler, Portfoliomanager, Privatinvestor oder Controller, alle haben sich diesem Prinzip zu beugen. Alternative: Kapitalmarktanarchie. Mittlerweile haben wir aber einen Status erreicht, der das Kopfkratzen in Verbindung mit der Frage nach dem Sinn mancher Marktbewertungen zur täglichen Übung werden lässt. Die Rede ist von den Rentenmärkten.

Deutschlands Renditen für Staatsanleihen sind mittlerweile bis ins 20-jährige Laufzeitprofil hinein negativ. Bis in den 3-jährigen Bereich ist die Zinskurve bereits invers. Dort herrscht derzeit -0,78% Rendite. Die Inflation steht aber trotz kürzlicher Schwäche noch immer bei stolzen 1,2%. Die Realrendite, als eigentliches Maß aller (Ertrags-)Dinge ist bis in den 50-jährigen Laufzeitbereich hinein negativ. Österreich emittiert eine 100-jährige Anleihe um deren Nominale von 1,25 Milliarden sich über 5 Mrd. Euro balgen, was die Emissionsrendite sogar auf 1,17% drückt. 100 Jahre negative Realrendite (sofern die Inflation gleich bleibt, aber wer wünscht sich schon Deflation?). Jeder Gedanke an Dividenden als Alternative erstickt vor der konstanten Renten-Unlogik. Man fragt sich wirklich was das noch mit einem ökonomisch gesteuerten Markt zu tun hat.

Führen wir uns noch einmal die Situation vor Augen: Negativrendite bedeutet, dass man für sein Investment in eine solche Anleihe weniger bekommt, als man bezahlt hat sofern man dieses bis zur Fälligkeit behält. Der Schuldner sollte natürlich auch in der Lage sein, das Geld zurück zu zahlen. Zusätzlich knabbert die Inflation vom „Ertrag“ auch noch jedes Jahr etwas weg, weshalb die Chance durch einen späteren Verkauf mit Gewinn dieses Negativuniversum verlassen zu dürfen ins Reich der „Wünsch-Dir-Was-Fantasie“ gleich neben die feuchten Träume abzulegen ist. Warum nur schmeißen hoch intelligente Bondmanager das Geld wissentlich aus dem Fenster hinaus? Sie wissen auf den Punkt genau, dass -0,78% kein Gewinn sein kann. Selbst die Cash-Verzinsung, und diese Alternativrechnung nimmt den normalen Irrsinn ja bereits halbwegs ernst, ist „höher“ mit -0,4%.

Ein weiteres Puzzlestück in der Frage nach dem Sinn des Ganzen ist der Zustand bei Versicherungen und Banken. Diese Branchen sind so fest wie kaum eine andere mit den Zinskurven verbunden. Ihre Geschäftsmodelle basieren ja de facto auf ihnen. Aber wie kann man einen Kredit vergeben, den man mit -0,4% bei der jeweiligen Notenbank unterlegen muss und man dem Tiefzinsniveau auch bei den erzielbaren Kreditzinsen nicht entgehen kann? Erhöhung der Toleranz gegenüber der Bonität von Kreditnehmern? Volles Risiko? Auch die Versicherungen, die jahrhundertelang stabile Teilnehmer an allen Teilen des Kapitalmarktes waren, kaufen fast nur mehr Anleihen. Manche weichen dem Negativumfeld aus und kaufen kleinere, geringer liquide, vielfach aber schlechtere Schuldner. Andere sind sogar stolz darauf früher als Mitbewerber negativ rentierende Bonds gekauft zu haben deren Renditen inzwischen noch tiefer gesunken sind. Die Meisten argumentieren aber, dass der Durchschnitt im Portfolio noch immer positiv rentiert. Der Aufschrei bleibt im Halse stecken.

Mit welchem Szenario ist ein solches Vorgehen logisch zu begründen? Selbst ein katastrophales Wirtschaftsumfeld kann nicht mit Negativrenditen leben. Man verliert Geld. Das ist fix. Wem hilft das wirklich? Und auch das Argument, dass die Staatsschulden erst einmal dadurch gezähmt werden sollen und sich danach alles wieder normalisieren soll, ist völlig absurd. Wer glaubt wirklich, dass organisierte Verluste in den Vermögen tragenden Portfolios zu Konjunkturwachstum und höherem Steueraufkommen führen? Das wird es nicht spielen so lange der Kreislauf vor der Kreditvergabe stoppt. Das alles ist nichts anderes als eine Enteignung auf dem Rücken starrer regulatorischer Vorgaben begleitet von dem Umstand, dass die EZB viel zu viel Bonds gekauft hat, die jetzt den anlagesuchenden Industrien fehlen.

Am Schluss noch die x-te Verschwörungstheorie: Was, wenn das alles nur von ein paar großen, und zwar wirklich großen, Bondmanagern, und da sind internationale Fondsgesellschaften ganz Oben auf der Kandidatenliste, betrieben wird, um andere Bondmanager in den Nachkaufzwang zu drängen? Klingt irrwitzig, aber nehmen wir uns beim Ohr, hat irgendjemand einen Experten gehört, der die Absurdität dieses Ganzen beleuchtet hat? Dass Anleihen steigen wenn Aktien steigen? Dass Anleihen steigen wenn die Inflationserwartung steigt? Vielmehr erscheint die Tatsache, dass sich alle Beteiligten stillschweigend damit abgefunden haben und gar nicht mehr über Sinnfragen laut nachdenken den Fakt zu bestätigen, dass auch Rentenmärkte plötzlich wie Aktienmärkte nach Oben laufen. Der Deckel Ertragslogik wurde weggestrichen. Wer braucht schon Rendite? Der Weg ist das Ziel. Gerechnet wird später.



02.07.2019

Zwei moralische Welten



Wir sind es gewohnt, ja geschult darauf, trainiert und geprüft, die Vernunft als eine der Hauptkriterien in unser berufliches Wirken zu stellen. Ob Analyst, Händler, Portfoliomanager, Privatinvestor oder Controller, alle haben sich diesem Prinzip zu beugen. Alternative: Kapitalmarktanarchie. Mittlerweile haben wir aber einen Status erreicht, der das Kopfkratzen in Verbindung mit der Frage nach dem Sinn mancher Marktbewertungen zur täglichen Übung werden lässt. Die Rede ist von den Rentenmärkten.

Deutschlands Renditen für Staatsanleihen sind mittlerweile bis ins 20-jährige Laufzeitprofil hinein negativ. Bis in den 3-jährigen Bereich ist die Zinskurve bereits invers. Dort herrscht derzeit -0,78% Rendite. Die Inflation steht aber trotz kürzlicher Schwäche noch immer bei stolzen 1,2%. Die Realrendite, als eigentliches Maß aller (Ertrags-)Dinge ist bis in den 50-jährigen Laufzeitbereich hinein negativ. Österreich emittiert eine 100-jährige Anleihe um deren Nominale von 1,25 Milliarden sich über 5 Mrd. Euro balgen, was die Emissionsrendite sogar auf 1,17% drückt. 100 Jahre negative Realrendite (sofern die Inflation gleich bleibt, aber wer wünscht sich schon Deflation?). Jeder Gedanke an Dividenden als Alternative erstickt vor der konstanten Renten-Unlogik. Man fragt sich wirklich was das noch mit einem ökonomisch gesteuerten Markt zu tun hat.

Führen wir uns noch einmal die Situation vor Augen: Negativrendite bedeutet, dass man für sein Investment in eine solche Anleihe weniger bekommt, als man bezahlt hat sofern man dieses bis zur Fälligkeit behält. Der Schuldner sollte natürlich auch in der Lage sein, das Geld zurück zu zahlen. Zusätzlich knabbert die Inflation vom „Ertrag“ auch noch jedes Jahr etwas weg, weshalb die Chance durch einen späteren Verkauf mit Gewinn dieses Negativuniversum verlassen zu dürfen ins Reich der „Wünsch-Dir-Was-Fantasie“ gleich neben die feuchten Träume abzulegen ist. Warum nur schmeißen hoch intelligente Bondmanager das Geld wissentlich aus dem Fenster hinaus? Sie wissen auf den Punkt genau, dass -0,78% kein Gewinn sein kann. Selbst die Cash-Verzinsung, und diese Alternativrechnung nimmt den normalen Irrsinn ja bereits halbwegs ernst, ist „höher“ mit -0,4%.

Ein weiteres Puzzlestück in der Frage nach dem Sinn des Ganzen ist der Zustand bei Versicherungen und Banken. Diese Branchen sind so fest wie kaum eine andere mit den Zinskurven verbunden. Ihre Geschäftsmodelle basieren ja de facto auf ihnen. Aber wie kann man einen Kredit vergeben, den man mit -0,4% bei der jeweiligen Notenbank unterlegen muss und man dem Tiefzinsniveau auch bei den erzielbaren Kreditzinsen nicht entgehen kann? Erhöhung der Toleranz gegenüber der Bonität von Kreditnehmern? Volles Risiko? Auch die Versicherungen, die jahrhundertelang stabile Teilnehmer an allen Teilen des Kapitalmarktes waren, kaufen fast nur mehr Anleihen. Manche weichen dem Negativumfeld aus und kaufen kleinere, geringer liquide, vielfach aber schlechtere Schuldner. Andere sind sogar stolz darauf früher als Mitbewerber negativ rentierende Bonds gekauft zu haben deren Renditen inzwischen noch tiefer gesunken sind. Die Meisten argumentieren aber, dass der Durchschnitt im Portfolio noch immer positiv rentiert. Der Aufschrei bleibt im Halse stecken.

Mit welchem Szenario ist ein solches Vorgehen logisch zu begründen? Selbst ein katastrophales Wirtschaftsumfeld kann nicht mit Negativrenditen leben. Man verliert Geld. Das ist fix. Wem hilft das wirklich? Und auch das Argument, dass die Staatsschulden erst einmal dadurch gezähmt werden sollen und sich danach alles wieder normalisieren soll, ist völlig absurd. Wer glaubt wirklich, dass organisierte Verluste in den Vermögen tragenden Portfolios zu Konjunkturwachstum und höherem Steueraufkommen führen? Das wird es nicht spielen so lange der Kreislauf vor der Kreditvergabe stoppt. Das alles ist nichts anderes als eine Enteignung auf dem Rücken starrer regulatorischer Vorgaben begleitet von dem Umstand, dass die EZB viel zu viel Bonds gekauft hat, die jetzt den anlagesuchenden Industrien fehlen.

Am Schluss noch die x-te Verschwörungstheorie: Was, wenn das alles nur von ein paar großen, und zwar wirklich großen, Bondmanagern, und da sind internationale Fondsgesellschaften ganz Oben auf der Kandidatenliste, betrieben wird, um andere Bondmanager in den Nachkaufzwang zu drängen? Klingt irrwitzig, aber nehmen wir uns beim Ohr, hat irgendjemand einen Experten gehört, der die Absurdität dieses Ganzen beleuchtet hat? Dass Anleihen steigen wenn Aktien steigen? Dass Anleihen steigen wenn die Inflationserwartung steigt? Vielmehr erscheint die Tatsache, dass sich alle Beteiligten stillschweigend damit abgefunden haben und gar nicht mehr über Sinnfragen laut nachdenken den Fakt zu bestätigen, dass auch Rentenmärkte plötzlich wie Aktienmärkte nach Oben laufen. Der Deckel Ertragslogik wurde weggestrichen. Wer braucht schon Rendite? Der Weg ist das Ziel. Gerechnet wird später.